Hidden Hearing Loss – wenn der Hörtest normal ist, aber das Verstehen schwerfällt

Man denkt an otoakustische Emmisionsmessungen

 

Aktualisiert am: 04. Oktober 2025

Autor: Maximilian Bauer, Hörakustikmeister, MSc. Clinical Audiology

Kurz erklärt:
Hidden Hearing Loss bezeichnet eine Schädigung der Verbindung zwischen Haarzellen und Hörnerv – meist durch Lärm oder Alterung –, die im normalen Hörtest nicht erkannt wird. Betroffene hören eigentlich "gut", haben aber große Probleme beim Sprachverstehen in geräuschvoller Umgebung.

Was ist Hidden Hearing Loss?

Der Begriff beschreibt eine Hörstörung, die im klassischen Tonaudiogramm unauffällig bleibt – also mit Hörschwellen bis 8.000 Hertz im Normalbereich. Dennoch berichten Betroffene von erheblichem Verstehensverlust, insbesondere bei Hintergrundgeräuschen. Die Ursache liegt oft nicht im klassischen Hörverlust, sondern in tieferliegenden neuronalen Veränderungen der Hörbahn.

Was passiert im Innenohr?

Im Verdacht stehen vor allem Schädigungen an den sogenannten Ribbon-Synapsen, den Schnittstellen zwischen inneren Haarzellen (IHC) und dem Hörnerv. Durch hohe oder langanhaltende Schallbelastung kommt es zu einer Übererregung mit erhöhter Glutamatausschüttung. Diese kann toxisch wirken und die synaptische Übertragung dauerhaft stören – selbst wenn die Haarzellen intakt bleiben. Neben der Glutamatausschüttung spielen auch mechanische Belastungen, altersbedingte Veränderungen und genetische Anfälligkeit eine Rolle bei der synaptischen Schwächung.

Ein zweiter Mechanismus betrifft die Ganglionzellen: Sie sind für die Signalweiterleitung entscheidend. Schon bei mittellauten Dauerschallereignissen (z. B. Baustellenlärm, laute Musik im Auto) kann es zu einer schleichenden Degeneration kommen. Diese Degeneration bedeutet, dass die Feinabstimmung des Signals verloren geht, besonders wenn das Ohr unter Stress steht – etwa bei Gesprächen im Lärm oder schnellen Sprecherwechseln.

Welche Symptome können auftreten?

  • Gutes Hörvermögen im ruhigen Raum – aber große Probleme bei Hintergrundgeräuschen
  • Unklarheit bei schnellen Gesprächen oder mehreren Sprechern
  • Gehäuftes Nachfragen trotz "normalem" Hörtest
  • Frühe mentale Erschöpfung beim Zuhören (erhöhte Höranstrengung)
  • Gefühl, dass das Hören "nicht mehr richtig funktioniert" – ohne konkreten Hörverlust

Warum ist der Hörtest normal?

Standardhörtests prüfen meist nur die Hörschwelle – also ob ein Ton gerade noch hörbar ist. Die feine synaptische Kopplung zwischen Haarzellen und Hörnerv wird dabei nicht erfasst. Auch das Sprachverstehen im Störschall fehlt oft in der Standarddiagnostik.

Was Sie tun können:
Lassen Sie zusätzlich zum klassischen Hörtest ein Sprachverstehen im Störgeräusch messen. Auch eine Messung erweiterter Hochtonbereiche (über 8 kHz) oder spezielle neuroaudiologische Verfahren wie die eABR oder EFRs können Hinweise geben. Frühzeitige Nutzung moderner Hörsysteme – auch wenn die Kasse noch nicht zahlt – kann helfen, die neuronale Verschaltung aktiv zu halten.

Verknüpfung mit anderen Ursachen

Ein Hidden Hearing Loss kann isoliert auftreten oder mit anderen nicht erkannten Hörverlustformen kombiniert sein. Dazu gehören etwa:

Zur Übersicht aller Ursachen für "Ich höre gut, aber verstehe schlecht": Zur Hauptseite

Quellen und Forschung

  • Kujawa & Liberman (2009, 2015): Noise-induced cochlear synaptopathy
  • Plack et al. (2014): Perceptual consequences of hidden hearing loss
  • Moser (2018): Molecular understanding of hearing
  • Huet et al. (2019): Sound encoding in the auditory nerve
  • Podcast TWIH #308: Schädigung durch mittellaute, langanhaltende Reize

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