Das sollten Sie über das aktive Zuhören wissen.
Auf den Punkt gebracht: Menschen hören nicht nur mit den Ohren. Sie hören auch mit Aufmerksamkeit, Energie und Erwartungen. Aktives Zuhören zeigt, was Sie im Alltag wirklich belastet – und macht Hörgeräte dadurch wirksamer.
Viele Menschen kommen zur Hörgeräteberatung und erwarten Technik: Messwerte, Modelle, Einstellungen. Doch der eigentliche Erfolg entsteht früher. Er entsteht im Gespräch.
Aktives Zuhören bedeutet, dass Ihr Akustiker Ihnen aufmerksam begegnet, nachfragt und Ihre Alltagssituationen ernst nimmt. Genau dadurch wird sichtbar, welche Einstellungen, welcher Funktionsumfang und welche Ziele wirklich zu Ihnen passen.
Was aktives Zuhören bedeutet
Aktives Zuhören ist kein oberflächliches „Ich höre Ihnen zu“. Es ist ein strukturierter, respektvoller Kommunikationsstil. Ein guter Akustiker:
- nimmt sich Zeit für Ihre Geschichte
- fragt präzise nach, wenn etwas unklar klingt
- spiegelt Ihnen, was er verstanden hat
- nimmt auch Zwischentöne wahr – Müdigkeit, Unsicherheit, Stress
Viele Menschen mit Hörverlust beschreiben ihre Probleme nicht technisch. Sie schildern Situationen: Meetings, Restaurantlärm, Familienfeiern, Telefonate. Genau diese Hinweise sind entscheidend für eine passende Versorgung.
Woran Sie gutes Zuhören erkennen:
- Sie dürfen ausreden
- Ihre Alltagssituationen werden gezielt abgefragt
- Ihr Erleben wird ernst genommen
- Sie sind nicht „nur ein Audiogramm“
Warum Zuhören wichtiger ist als das Audiogramm
Das Audiogramm zeigt, wie leise ein Ton sein darf, bis Sie ihn hören. Es zeigt nicht:
- wie sehr Sie sich im Lärm anstrengen
- warum Sie abends erschöpft sind
- welche Situationen Sie vermeiden
- worauf Sie im Gespräch Angst haben, nicht zu reagieren
All diese Faktoren sind für die Versorgung relevanter als die reine Hörschwelle. Und sie lassen sich nur durch Zuhören erkennen – nicht durch Messung.
Ein Beispiel aus dem Alltag
Eine Frau mit leichter Hörminderung sitzt im Beratungsraum. Das Audiogramm ist unauffällig. Auf die Frage „Wie geht es Ihnen damit?“ sagt sie: „Eigentlich schon gut.“
Doch im Gespräch wird sichtbar:
- Meetings erschöpfen sie so sehr, dass sie abends kaum noch Energie hat
- sie vermeidet Restaurants
- sie bittet zu Hause häufig um Wiederholungen
- Telefonate machen sie nervös
Diese Probleme würden in einer rein technischen Beratung übersehen. Durch aktives Zuhören entsteht dagegen ein klares Bild: Die Versorgung muss nicht „leise Töne hörbar machen“, sondern Hörstress reduzieren und Kommunikation im Lärm verbessern.
Wichtige Erkenntnis: Technik wirkt nur dann optimal, wenn sie auf die richtigen Alltagssituationen abgestimmt ist.
Wie aktives Zuhören Ihre Ergebnisse verbessert
Menschen, die sich im Beratungsgespräch verstanden fühlen, nutzen ihre Hörgeräte häufiger und haben seltener Probleme im Alltag. Studien zeigen:
- die Ziele werden realistischer
- Hörgeräte werden konsequenter getragen
- Nachjustierungen verlaufen problemloser
- die Zufriedenheit steigt deutlich
Das gilt für Hörgeräte ebenso wie für Cochlea Implantate oder Tinnitusberatung.
Die sechs Säulen der personzentrierten Versorgung
Aktives Zuhören ist Teil eines größeren audiologischen Ansatzes. Wenn Sie sich tiefer einlesen wollen, finden Sie hier die weiteren fünf Säulen:
- Offene Fragen
- Empathie in der Hörberatung
- Angehörige einbeziehen
- Gemeinsame Entscheidungen
- Lebenswelt verstehen
Alle sechs Elemente zusammen ergeben die moderne Form der audiologischen Versorgung, bei der Technik und Mensch nicht getrennt gedacht werden.
Kurz zusammengefasst
Eine erfolgreiche Hörgeräteversorgung beginnt nicht mit Technik, sondern mit einem Gespräch. Aktives Zuhören zeigt, welche Situationen Sie wirklich belasten und welche Ziele für Sie wichtig sind. Das Audiogramm bleibt wichtig, doch erst Ihre Geschichte macht sichtbar, was im Alltag verbessert werden muss. Je besser das Gespräch, desto wirksamer das Hörgerät.
Quellen
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