Otoplastiken: Maßgefertigte Verbindung zwischen Hörgerät und Gehörgang
Stand: 08.11.2025 · Fachlich geprüft
Ein unsichtbares, aber zentrales Bauteil
Wer über Hörgeräte spricht, denkt an Mikrofone, Prozessoren, Lautsprecher. Vielleicht noch an Bluetooth, App-Steuerung und Akkulaufzeit. Kaum jemand denkt an das Bauteil, das letztlich den Schall ins Ohr bringt: die Otoplastik.
Warum die Otoplastik so entscheidend ist
Die Otoplastik ist der maßgefertigte Teil, der im oder am Ohr sitzt. Sie wird aus Silikon, Acryl oder Thermoplast gefertigt, auf Basis eines Abdrucks oder eines digitalen Scans. Was technisch wie ein Nebenschauplatz wirkt, ist in Wirklichkeit der Schlüssel zum gesamten Hörerlebnis. Denn ohne guten Sitz kein sicherer Halt. Ohne sicheren Halt keine stabile Akustik. Ohne stabile Akustik kein klarer Klang. Es ist ein stilles Bindeglied zwischen Technik und Mensch – und es ist erstaunlich, wie wenig darüber gesprochen wird.
Materialien im Vergleich – Silikon, Acryl oder Thermoplast?
Silikon gilt als weicher, anpassungsfähiger, angenehmer bei empfindlichen Ohren. Acryl hingegen ist glatter, formstabiler, leichter zu reinigen. In der Praxis sind es oft die Feinheiten, die entscheiden: Wie stark schwitzt der Träger? Neigt die Haut zu Reizungen? Wie oft wird das Gerät eingesetzt? Und wie viel Dichtigkeit ist akustisch erforderlich? Denn jede Materialwahl hat einen Einfluss auf die Akustik. Weiches Material dichtet besser ab, was für Rückkopplungsschutz wichtig ist – aber auch den Klang verändert. Harte Materialien sitzen stabiler, lassen sich präziser fräsen – aber sind in Bewegung manchmal spürbarer. Es gibt keine pauschale Empfehlung, sondern nur eine gute Beratung.
Passform, Abdruck und Anpassung – warum Millimeter entscheidend sind
Die perfekte Otoplastik beginnt mit einem präzisen Abdruck. Ob traditionell mit Silikon oder digital per 3D-Scan: Jede Abweichung kann später zu Druckstellen, Undichtigkeiten oder schlechter Klangqualität führen. Der Gehörgang ist kein gerades Rohr, sondern individuell gebogen, weich und reaktiv. Eine schlecht sitzende Otoplastik rutscht, drückt oder verursacht sogar kleine Verletzungen.
Akustische Funktion – mehr als nur Schallleitung
Die Otoplastik wirkt wie ein Resonator: Ihre Form und die Gestaltung des Schallkanals beeinflussen, welche Frequenzen wie verstärkt werden. Besonders die Ventbohrung – eine kleine Öffnung zur Belüftung – hat großen Einfluss auf den Klang. Real-Ear-Messungen helfen, die akustischen Auswirkungen besser zu beurteilen.
Otoplastik-Probleme erkennen und lösen
Viele Nutzer kommen gar nicht so weit. Die erste Otoplastik ist für viele eine kleine Zumutung: Sie drückt, klingt dumpf, verändert das Körpergefühl. Das liegt selten an Fehlern, sondern an der engen Wechselwirkung zwischen Anatomie, Hörverlust, Hörgerät und zentraler Verarbeitung. [...]
Autophonie, Rückkopplung, Tragegefühl – ein Balanceakt
Das Gefühl, die eigene Stimme „im Kopf“ zu hören, wird Autophonie genannt – und ist eine der häufigsten Beschwerden bei neuen Hörgeräteträgern.
Reinigung, Pflege und Haltbarkeit
Otoplastiken sind durch den täglichen Hautkontakt und das feuchte Milieu des Gehörgangs starken Belastungen ausgesetzt. Schweiß, Hautfett und Cerumen setzen sich an und in der Otoplastik ab – insbesondere bei Belüftungsbohrungen oder weichen Materialien. Wird die Reinigung vernachlässigt, können Reizungen, Verstopfungen oder Materialalterung die Folge sein.
Je nach Material und Trägergewohnheiten empfiehlt sich eine tägliche Reinigung mit mildem Reinigungsmittel oder Reinigungstüchern, sowie eine regelmäßige Tiefenreinigung mit Tabletten oder im Ultraschallbad. Besonders bei Kindern oder Menschen mit hoher Cerumenproduktion kann eine wöchentliche Kontrolle durch den Akustiker sinnvoll sein. Eine Otoplastik sollte aus hygienischen und funktionellen Gründen nach etwa 1 bis 3 Jahren erneuert werden – bei Kindern häufig auch früher.
Fazit: Die unterschätzte Schlüsselrolle der Otoplastik
Die Lösung liegt in der individuellen Balance. Jeder Mensch hat eine andere Anatomie, ein anderes Hörprofil, eine andere Empfindlichkeit für Autophonie.
Wissenschaftliche Referenzen
- Erdoğan A.A., Arslan Ş.N. (2016). The Effects of Silicone and Acrylic Ear Mold Materials on Outer Ear Canal Resonance Characteristics. Int Adv Otol, 12(2), 189–193. doi
10.1080/14992027.2022.2039966
- Denk F. et al. (2022). Occlusion and coupling effects with different earmold designs. Int J Audiol, 62, 227–237. doi.org/10.1080/14992027.2022.2039966
- Valente M. et al. (2018). Differences in Word and Phoneme Recognition with and without REM. J Am Acad Audiol, 29, 706–721. doi.org/10.3766/jaaa.17005
- Muñoz K. et al. (2019). Pediatric Amplification Management. Int J Audiol. doi.org/10.26077/a049-v107
- Pack K.R. et al. (2025). Impression-Taking and Custom Hearing Protection. J Am Acad Audiol. doi.org/10.3766/jaaa.240092
Autor: Maximilian Bauer, Hörakustikmeister, MSc. Clinical Audiology
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