Tinnitus-Ursachen: Hörverlust, Kiefer, Stress und andere Auslöser

Ein Mann zeigt auf ein Schild mit der Aufschrift Tinnitus Ursachen

Autor: Max Bauer, Hörakustikmeister, MSc. Clinical Audiology → Zur Vita

Aktualisiert am: 28. September 2025

Tinnitus ist kein eigenständiges Krankheitsbild, sondern ein Symptom mit vielen möglichen Auslösern. Eine erfolgreiche Therapie beginnt deshalb fast immer mit einer sauberen Ursachenklärung.

Die folgenden Abschnitte zeigen die häufigsten und klinisch relevantesten Ursachengruppen – sauber getrennt nach auditiven, somatosensorischen und zentralnervösen Faktoren.

1. Die häufigste Ursache: Störungen im Hörsystem

Unentdeckter Hörverlust

Selbst ein leichter Hochtonverlust kann ausreichen, um im Gehirn eine neuronale Reaktion auszulösen. Wenn bestimmte Frequenzbereiche fehlen, versucht das zentrale Hörsystem, diese Lücke zu „füllen“. Die Folge kann ein subjektiv wahrgenommenes Geräusch sein – ohne reale Schallquelle.

Lärmtrauma und Hörsturz

Akute Veränderungen – etwa durch Knalltrauma, laute Konzerte oder einen Hörsturz – gehören zu den klassischen Auslösern eines plötzlichen Tinnitus. In diesen Fällen ist eine sofortige ärztliche Abklärung dringend erforderlich.

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Otosklerose und Mittelohrprobleme

Auch mechanische Veränderungen – etwa Verknöcherungen im Mittelohr oder chronische Belüftungsstörungen – können die Reizweiterleitung verändern und so ein Ohrgeräusch auslösen.

2. Somatosensorische und körperliche Ursachen

Kiefergelenk (CMD) und Zähne

Fehlstellungen im Kiefergelenk oder starkes Zähneknirschen (Bruxismus) können über den Trigeminusnerv auf das zentrale Hörsystem wirken. Studien zeigen, dass etwa 30 % der Betroffenen durch Bewegungen im Kiefer ihren Tinnitus verändern können.

Halswirbelsäule (HWS) und muskuläre Verspannungen

Auch Verspannungen im Schulter-Nacken-Bereich oder funktionelle Blockaden der HWS können Tinnitus beeinflussen. Ursache ist eine Verbindung zwischen somatosensorischen Afferenzen und der Hörbahn, insbesondere im Bereich des Nucleus cochlearis dorsalis.

Durchblutungsstörungen

Eine gestörte Versorgung des Innenohrs – z. B. durch Gefäßverengungen, Blutdruckprobleme oder Medikamente – kann die Wahrnehmung beeinträchtigen und Tinnitus verstärken. Die Ursache ist selten, sollte aber mitgedacht werden.

3. Psychische, zentrale und chemische Einflussfaktoren

Stress und limbisches System

Chronischer Stress gilt nicht als direkte Ursache, aber als bedeutender Verstärker und Chronifizierer. Die emotionale Aufladung durch das limbische System – insbesondere Amygdala und Hippocampus – kann die Wahrnehmung des Tinnitus verstärken und die Habituation verhindern.

Ototoxische Medikamente

Einige Medikamente können Tinnitus als Nebenwirkung auslösen. Dazu gehören u. a. bestimmte Schmerzmittel (ASS in hoher Dosis), Schleifendiuretika, Zytostatika und Aminoglykosid-Antibiotika. Wichtig: Nicht eigenständig absetzen – immer Rücksprache mit dem Arzt halten.

🔎 Ursache, Verstärker oder Chronifizierer?

Viele Leser fragen: Ist Stress eine Ursache – oder macht er den Tinnitus nur schlimmer? Die Antwort ist meist differenziert:

  • Ursache: z. B. Hörverlust, Lärmtrauma, CMD
  • Verstärker: z. B. chronischer Stress, Reizoffenheit, emotionale Belastung
  • Chronifizierer: limbisches System, fehlende Gewöhnung, zentrale Fixierung

Eine wirksame Therapie erkennt diese Unterschiede – und behandelt gezielt auf allen Ebenen.

Fazit: Die Ursache ist selten nur eine

Hinter einem Tinnitus steckt fast nie nur ein einzelner Auslöser. Die meisten Fälle entstehen aus dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren – mit dem zentralen Hörsystem als Schnittstelle.

Eine gute Diagnostik – audiologisch und medizinisch – ist der erste Schritt. Nur wenn die Ursache verstanden wird, kann die Therapie sinnvoll geplant werden.

➡️ Nächster Schritt: Tinnitus behandeln

Welche Therapieformen gelten als wirksam? Wie funktioniert Tinnitus-Retraining? Und was hilft wirklich?

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Autor: Maximilian Bauer, Hörakustikmeister, MSc. Clinical Audiology – Die Informationen basieren auf aktuellen medizinischen Leitlinien und klinischer Erfahrung.