Autor: Maximilian Bauer, Hörakustikmeister, MSc. Clinical Audiology → Zur Vita
Aktualisiert am: 02. Oktober 2025
Fernanpassung von Hörgeräten klingt bequem – und kann bei stabilen Einstellungen durchaus hilfreich sein. Doch wenn es um die **Erstanpassung** geht, also um die exakte Feineinstellung im individuellen Gehörgang, gilt: Physik lässt sich nicht fernsteuern.
Fernanpassung ist ein nützliches Werkzeug – aber kein Ersatz für präzise akustische Messungen. Wer auf die persönliche Feinanpassung verzichtet, riskiert Hörstress und unzureichende Sprachverarbeitung.
Was ist Fernanpassung – und wann ist sie hilfreich?
Der Begriff bezeichnet die Möglichkeit, Hörgeräte über eine App oder einen Online-Zugang durch einen Fachbetrieb nachzujustieren. Dies erfolgt meist per Videochat und ist besonders bei kleineren Nachsorgekorrekturen eine zeit- und ressourcensparende Lösung.
Für einfache Änderungen – etwa Lautstärkewünsche, Klangdetails oder Rückmeldungen zu einzelnen Alltagssituationen – kann die Fernanpassung gut funktionieren.
Warum die Erstanpassung nicht aus der Ferne erfolgen kann
Die erste Einstellung eines Hörgeräts ist kein Schätzverfahren – sondern eine **medizinisch-audiologische Feinabstimmung**, bei der die tatsächliche Schallübertragung im Gehörgang gemessen werden muss. Dazu dient die sogenannte Real-Ear-Messung (REM).
Die Real-Ear-Messung misst objektiv, wie viel Schall das Hörgerät tatsächlich am Trommelfell ankommen lässt – und gleicht das mit dem Zielwert für optimales Sprachverstehen ab. Mehr zur REM-Messung
Fernanpassungssysteme können diese Messung nicht ersetzen, da sie keinerlei Sensoren im Ohr haben. Alle Werte beruhen auf Modellen – nicht auf realer Akustik.
Risiken der Fernanpassung bei Erstanpassung
Wenn Hörgeräte rein fernoptimiert werden, kann es zu folgenden Problemen kommen:
- Unterversorgung: Sprache klingt dumpf oder bleibt schwer verständlich
- Überversorgung: Klänge wirken schrill, unangenehm oder ermüdend
- Zentrale Fehlverarbeitung: Das Gehirn reagiert mit Hörstress – Konzentration, Energie und Lebensqualität leiden
Die zentrale Hörverarbeitung ist ein lernendes System. Eine falsche Anfangseinstellung programmiert das Gehirn falsch ein – das lässt sich später nur mühsam korrigieren.
Wann ist Fernanpassung sinnvoll?
Fernanpassung ist ideal für den Service-Alltag – also wenn bereits eine gute Einstellung vorliegt und nur Feinjustierungen gewünscht werden. Dazu gehören z. B.:
- Optimierung für neue Hörsituationen (z. B. Café, Auto, Theater)
- Feinkorrektur der Lautstärke oder Klangbalance
- Individuelle Präferenzen bei bestimmten Programmen
Allerdings: Auch hier sollte die Basis solide gelegt sein – und das geht nur mit REM und persönlicher Anpassung.
Fazit: Technik ersetzt keine medizinische Präzision
Die Fernanpassung ist ein sinnvolles Werkzeug – aber nur dann, wenn sie auf einer fachlich korrekten Grundlage aufbaut. Die Erstversorgung sollte <strongimmer vor Ort erfolgen. Nur so kann die Wirkung im Ohr objektiv überprüft und an die individuelle Hörverarbeitung angepasst werden.
- → Was ist eine REM-Messung?
- → Hörstress: Was bei schlechter Einstellung im Gehirn passiert
- → Stationäre Anpassung im Vergleich zur Onlineversorgung
Kommentare
Einen Kommentar schreiben