Viele Menschen glauben, gutes Hören sei vor allem eine Frage der Ohren: Cochlea, Haarzellen, Hörnerv. Ein großer Teil des Hörvorteils entsteht aber erst, wenn beide Ohren im Gehirn zusammengeführt werden. Einer der wichtigsten Effekte dabei heißt binauraler Squelch. Er hilft, Sprache aus Lärm herauszulösen, obwohl sich die physikalische Lautstärke des Lärms gar nicht verändert.
In diesem Artikel schauen wir uns an, was binauraler Squelch genau ist, wie er neurophysiologisch entsteht, warum er bei Hörverlust schwächer wird und weshalb Hörgeräte oder Cochlea Implantate diesen Effekt nur teilweise zurückbringen können.
Was binauraler Squelch ist, und was nicht
Binaurale Vorteile bestehen aus mehreren Bausteinen, die man klar trennen sollte.
- Binaurale Summation: Zwei Ohren liefern mehr Information als eines.
- Head Shadow: Der Kopf schirmt Schall ab und verbessert damit das Verhältnis von Sprache zu Störgeräusch.
- Binauraler Squelch: Das Gehirn vergleicht die leicht unterschiedlichen Signale aus beiden Ohren, um störende Anteile zu unterdrücken.

Ursprünglich stammt der Begriff aus der Funktechnik und beschreibt eine automatische Unterdrückung von Rauschen. Im Hörsystem bedeutet er eine zentral gesteuerte Ausblendung unerwünschter Schallanteile.
Die Hörbahn hinter dem Squelch Effekt
Damit binauraler Squelch entsteht, braucht das Gehirn präzise Informationen aus beiden Ohren.
Superior Olive Complex
- MSO: verarbeitet Zeitdifferenzen bei tiefen Frequenzen.
- LSO: verarbeitet Pegeldifferenzen bei höheren Frequenzen.
Nucleus of the Lateral Lemniscus und Inferior Colliculus
Hier entsteht eine Art Hörlandkarte, in der passende Signale verstärkt und unpassende abgeschwächt werden.
Thalamus und Cortex
Der Cortex trennt Sprache und Lärm und integriert Erfahrung, Erwartung und Aufmerksamkeit.
ITD, ILD und Feinstruktur
Damit Squelch funktioniert, braucht das Gehirn drei Arten von Informationen:
Zeitdifferenzen
Mikrosekunden
Wichtig bei tiefen Frequenzen
Pegeldifferenzen
Kopfabschattung
Relevant bei hohen Frequenzen
Phaseninformation
zeitliche Hüllkurve
wichtig für Fusion und Filterung
Beide Ohren → ITD und ILD Vergleich im Hirnstamm → Integration im Inferior Colliculus → Abschwächung unpassender Schallanteile → klarere Sprachwahrnehmung
Was der Squelch Effekt im Alltag bringt
Bei normal Hörenden verbessert binauraler Squelch den effektiven Signal Störgeräusch Abstand typischerweise um zwei bis drei Dezibel.
- Besseres Sprachverstehen im Restaurant.
- Geringere Höranstrengung.
- Bessere Trennung mehrerer Sprecher.
- Unterstützung der Aufmerksamkeit auf eine Zielperson.
Warum Hörverlust den Squelch schwächt
- Feinstrukturverlust durch beschädigte äußere Haarzellen.
- Synaptopathie verringert synchrone Aktivierungen.
- Neurales Rauschen steigt an.
- Asymmetrien erschweren den Vergleich zwischen beiden Ohren.
Binauraler Squelch und Hörgeräte
- Breitbandkompression verändert Pegeldifferenzen.
- Noise Reduction arbeitet nicht immer synchron.
- Richtmikrofone formen die Szene künstlich.
- Digitale Verzögerungen verfälschen Zeitinformationen.
Cochlea Implantate und bimodale Versorgung
Implantate ermöglichen wieder zwei Eingänge, doch echte ITD und ILD Nutzung ist individuell unterschiedlich.
Neuroplastizität
- Binaurales Hören verbessert sich oft über Monate bis Jahre.
- Kinder profitieren besonders stark.
- Aufmerksamkeit und Training unterstützen Squelch Mechanismen.
- Binauraler Squelch entsteht im Gehirn, nicht im Hörgerät.
- Das Gehirn vergleicht ITD, ILD und Feinstruktur, um Störlärm auszublenden.
- Hörverlust schwächt diesen Prozess deutlich.
- Hörgeräte liefern zwei Eingänge, ersetzen aber nicht die zentrale Rechenleistung.
- Cochlea Implantate ermöglichen binaurale Hinweise nur teilweise, abhängig von Biografie und Neuroplastizität.

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